Ivan Mestrangelo spricht über seine Motivation, die Entstehungsgeschichte und die Meilensteine in 2020.
Herr Mestrangelo, wir haben uns auf der ICBC in Zürich im Mai 2019 kennengelernt. Damals hatten die MediCrops praktisch frisch gegründet. Was war Ihre Motivation und wie sah die Stunde null aus?
In den Jahren davor baute ich ein Unternehmen auf, das mit pharmazeutischen Rohstoffen handelte. Dabei erhielt ich einen tiefen Einblick in Bereiche der Pharmadistribution und stand häufig in Kontakt mit Apothekern, Ärzten und sogar Patienten. Natürlich war der Hype um die globale Cannabis-Legalisierung nicht an mir vorbei gegangen. Und in meinem Heimatland Schweiz wurde der THC-reduzierte, legale CBD-Hanf zum “Big Thing”
Einige Entrepreneure in meinem Bekanntenkreis, bauten Unternehmen in diesem Bereich auf, die heute sehr erfolgreich sind.
Allerdings sah ich auch, dass der schweizer Markt für CBD-Hanf , welches hier praktisch jeder anbauen und als Genuss- bzw. Nahrungsergänzungsmittel verkaufen darf, schnell übersättigt war. Und auch wenn CBD einige gesundheitliche Benefits bietet, ist es letztlich das THC, was den wahren therapeutischen Wert hat. In der Schmerztherapie und in Behandlungen anderer schwerwiegender Krankheiten wie Krebs ist es unverzichtbar.
Während das THC haltige Cannabis heute in den USA und Kanada in etwa so gehandhabt wird, wie in der Schweiz der CBD-Hanf, benötigt man bei uns in Europa ein ärztliches Rezept für THC reiche Blüten und Extrakte, die aufgrund ihres Wirkstoffgehalts eine Alternative zu starken Schmerzmitteln sind. Beim Anbau und der Verarbeitung von Cannabis für die medizinische Anwendung gelten dieselben strengen GMP-Richtlinien wie bei anderen Arzneimitteln. In den meisten Ländern Europas ist Cannabis für den medizinischen Gebrauch legalisiert worden. Der Anbau ist privaten Unternehmen jedoch nur in wenigen Ländern gestattet und wenn, dann nur unter Auflagen wie Mengenbegrenzungen, die eine wirtschaftliche Produktion unmöglich machen. Zurzeit existiert nur eine Handvoll GMP-zertifizierter Produzenten weltweit, die aufgrund ihrer geprüften Standards Zugang zur Supply Chain erhalten und damit ihre Produkte in Europa überhaupt absetzen können. Der Markt für medizinisches Cannabis in Europa wächst rasant und die Qualität, der auf Rezept in Apotheken verkauften Cannabisprodukte und auch die Auswahl ist im Vergleich zum Genussmittelmarkt in Amerika lachhaft.
Die Preise liegen dagegen 300% höher. Der Patient wird möglicherweise an den Schwarzmarkt verloren, da er dort im guten Fall die bessere Medizin billiger bekommt. Wenn es schlecht ausgeht, erhält er ein kontaminiertes Kraut, welches ihm mehr schadet als nützt.
Meine Intention bei der Gründung der MediCrops war es, diesen Missstand zu beheben.
Hinzu kommt, dass ich vom Potential von Cannabis in der Medizin und auch vom erweiterten Nutzen der Hanfpflanze überzeugt und begeistert bin. Zum Glück bin ich gesund und konsumiere selbst weder Cannabis noch andere Medikamente. Jedoch sehe ich, wie es vielen Menschen in meinem Umfeld hilft.
Also begann ich für einen ersten geeigneten Produktionsstandort mit der Recherche nach dem Land in Europa, dessen Regierung die progressivste Cannabispolitik betreibt, ein Mitglied der EU oder zumindest Bewerberland ist und eine gute Beziehung zur EU und der Schweiz unterhält. Die zu erwartenden Produktionskosten sollten auch eine Rolle spielen. Nordmazedonien kristallisierte sich als Top-Kandidat heraus. Als das klar war, setzte ich mich in ein Flugzeug nach Skopje und ein echtes unternehmerisches Abenteuer begann. Zuallererst galt es, die Beziehungen zu den maßgeblichen Behörden und Ministerien zu etablieren. Welche Voraussetzungen mussten erfüllt sein, um eine staatliche Anbaulizenz zu erhalten? Welche Prognosen für die Zukunft der Regulierung und gesetzlichen Handhabung von Cannabis lassen sich stellen? Mit nichts außer einem festen Entschluss kam ich dort an. Hinter dem nun vorhandenen, idealen Setup mit einem modernen, massiv erweiterbaren Produktionsstandort, der Infrastruktur und einem qualifizierten Team, steckt ein großes Ausmaß an Aufopferung, vor allem auch in finanzieller Hinsicht. Denn bisher habe ich die gesamten Investitionen allein gestemmt.
Aus Ihrem Executive Summary geht hervor, dass Sie an Ihrem ersten Produktionsstandort nicht nur Cannabisblüten in industriellem Ausmaß züchten werden, sondern auch eine Extraktionsanlage und ein Labor soll angeschafft werden. Wie sieht es mit der weiteren Finanzierung aus?
Es liegen bereits Angebote vor, die den gesamten Finanzierungsbedarf für die kommenden Jahre decken würden. Doch sträube ich mich dagegen, auf diese allzu leichtfertig einzugehen. Solche Deals mit größeren Unternehmen bringen immer auch Abhängigkeiten, Exklusivverträge, Abfluss von Know-How usw. mit sich. Man kann nicht mehr so selbstbestimmt und flexibel agieren. In dieser frühen Unternehmensphase widerstrebt es mir, mich an ein Regime zu binden, mit dem man womöglich so lange über strategische Entscheidungen diskutiert, bis Gelegenheiten, die so ein junger, dynamischer Markt laufend bietet, vorbeigezogen sind. Außerdem glaube ich, dass große Konglomerate oder konzerngesteuerte Marionetten besonders in der eher alternativ angehauchten Cannabis-Szene unbeliebt sind. Von der Philosophie des «Grabbing», die unsere Wirtschaft bisher geprägt hat, glaube ich an einen Wandel zum «Sharing». Von der Wertschöpfung, die in der New Economy betrieben wird, sind nämlich viele Menschen isoliert, die eigentlich indirekt dazu beitragen.
Beispiel Instagram: 13 Mitarbeiter generieren innerhalb von 2 Jahren einen Unternehmenswert von einer Milliarde Dollar. Doch was macht diesen Wert aus? Hauptsächlich die angemeldeten User, die finanziell leer ausgehen. Ich denke, dass solche Vorgänge hinterfragt werden müssen. Auch, dass bei IPOs meist die breite Masse der Kleinanleger erst zum Zuge kommt, wenn sich Banken und Broker schon längst die Taschen gefüllt haben – und damit deren Spargroschen als Kanonenfutter verheizt werden, ist für mich ein Unding.
Gerade, weil es in unserem Geschäft um eine Pflanze geht, die ja eigentlich uns allen «gehört», möchte ich auch bei der Finanzierung ein Zeichen setzen. Deshalb gehen wir diesen Weg mit einer bunten Mischung von privaten Geldgebern, die aus Überzeugung in den medizinischen Nutzen der Hanfpflanze investieren und nicht nur, weil sie ein Geschäft wittern. Ein wenig wie Crowdinvestment – nur nicht ganz so anonym. Natürlich geht es für mich als Unternehmer auch um Gewinn, den verteile ich aber lieber an viele Kleine als an einen Großen, für den es ohnehin kaum einen Unterschied macht.
Mit welcher Strategie wollen Sie im Markt mitmischen?
Die Strategie ist, eine Palette aus den hochwertigsten Pflanzengenetiken, die besondere Effektivität bei bestimmten Krankheitsbildern zeigen, unter GMP-Bedingungen zu züchten und daraus konsumfertige, für den Patienten sicher und effektiv anzuwendende Präparate in verschiedenen Darreichungsformen herzustellen. Denn jede Züchtung hat ein besonderes Profil von Cannabinoiden, die zum Teil noch gar nicht identifiziert wurden. Auch der Entourage-Effekt im Zusammenwirken mit Terpenen und anderen sekundären Pflanzenstoffen spielt eine Rolle bei der Verträglichkeit und Wirksamkeit der Heilpflanze. Wir erweitern die Palette von verfügbaren cannabinoidhaltigen Arzneimitteln in Europa signifikant.
Wir sind in Mazedonien in der Lage, herausragende EU-GMP geprüfte Qualität herzustellen und zu wettbewerbsfähigen Preisen anzubieten. Hier herrscht ein großer unerfüllter Bedarf. Bei Pharmadistributoren rennen wir offene Türen ein. “Wie viel und wie schnell können Sie liefern?” Ist ein Satz, der in diesen Gesprächen häufiger fällt. Das langfristige Ziel ist dann die Entwicklung von als Medikament zugelassenen Präparaten mit Patentschutz. Für die gezielte Behandlung bestimmter Leiden.
Zudem beobachten wir sehr genau die Entwicklung des Genussmittelmarktes, denn Luxemburg hat als erstes EU-Land den konkreten Schritt zur vollständigen Legalisierung angekündigt und damit sicher etwas losgetreten. Persönlich denke ich, dass wir kulturell den Amerikanern, Kanadiern und Holländern nicht so weit entfernt sind. Und dort funktioniert es ja auch. Der legale Markt lässt die Milliarden an das Finanzamt fließen anstatt in die Tasche der organisierten Kriminalität und der Konsument könnte sich darauf verlassen, ein einwandfreies, geprüftes Produkt zu erhalten. Hier gibt es wirklich nur eine richtige Entscheidung der Politik. Und wenn dieser Markt eröffnet wird, möchten wir mit einer Premium-Marke mit hohem Wiedererkennungswert und sympathischem Auftritt ganz vorne dabei sein. Auch ein spannendes Coffee-Shop Franchisekonzept liegt auf dem Ideenhaufen meines Partners & Marketing-Experten Benjamin Köhler.
Was ist seit der ICBC im letzten Mai passiert? Was waren für Sie die wichtigsten Meilensteine in 2019?
In unserem Geburtsjahr hatten für mich die Auswahl eines geeigneten Produktionsstandorts in Nordmazedonien und die Besetzung von Schlüsselpositionen innerhalb der MediCrops Gruppe oberste Priorität.
Die Philosophie, nach der wir arbeiten nenne ich jetzt einmal selbstbewusst «Das Beste oder nichts».
Die Suche nach einem idealen Standort für mein Vorhaben gestaltete sich zu einer wahren Odyssee. In allen Teilen des Landes wurden von mir und meinem Team mehr als einhundert Objekte in Augenschein genommen. Hinzu kommen unzählige Gespräche und Verhandlungen mit lokalen Behörden und deren Amtsträgern. Es ist ein Land, in dem man definitiv gute Beziehungen benötigt und auch bereit sein muss, sehr tief in das dortige Geschehen und die Gesellschaft einzutauchen. Nur auf diese Weise gelangt man an gesicherte Informationen, die es einem ermöglichen, die richtigen Entscheidungen zu fällen und bei einem riskanten Vorhaben ein Mindestmaß an Investitionssicherheit zu gewährleisten.